1945 - 1974

Nachkriegszeit und Wirtschaftswunder

Das Jahr stellt in doppelter Hinsicht eine Zäsur in der deutschen Geschichte dar.

Einerseits bringt es das Ende des Zweiten Weltkrieges, andererseits - und damit engstens verbunden - setzt es einen Schlussstrich unter die zwölf Jahre der NS-Herrschaft.

 

Bekanntmachung über die Währungsreform im Amt Rheine

 

Mit dem am 2.8.1945 unterzeichneten Potsdamer Abkommen sind die Grundlinien der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung der nächsten Jahre vorgezeichnet. Zunächst übernehmen die Siegermächte vollständig die Regierungsgewalt in Deutschland - gemeint sind damit die Gebiete westlich von Oder und Neiße -, dies jedoch nicht, um das deutsche Volk zu unterdrücken, sondern um eine Entwicklung zu einem demokratischen und friedlichen Gemeinwesen herbeizuführen. Der Wiederaufbau der neuen Demokratie vollzieht sich schrittweise von unten nach oben.

Verstärkt werden auch in Rheine die Belastungen, die sich aus den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges ergeben, durch den Zustrom von Deutschen, die aus den Gebieten östlich von Oder und Neiße vertrieben worden sind.

Entgegen den Beschlüssen von Potsdam kommt es 1949 nicht zu einer einheitlichen Staatsbildung auf dem Gebiet aller vier Besatzungsmächte. Die drei Westzonen schließen sich im Mai zur Bundesrepublik Deutschland zusammen, die sowjetische Besatzungszone konstituiert sich im Oktober zur DDR.

Die im Potsdamer Abkommen vorgesehe totale Entmilitarisierung Deutschlands bedeutet für Rheine, dass für über ein Jahrzehnt alle militärischen Verbände und Einrichtungen aus der Stadt verschwinden.

Markante Veränderungen sind auch hinsichtlich des Spektrums der politischen Parteien erkennbar: Keine Rolle spielt bis heute in Rheine der politische Rechtsradikalismus. Der anfängliche Konsens aller anderen Parteien zerbricht in dem Maße, in dem auch auf globaler Ebene die Anti-Hitler-Koalition auseinanderfällt: Wird 1946 noch das KPD-Mitglied Bruno Spottek einstimmig zum stellvertretenden Bürgermeister gewählt, so kommt es Anfang der fünfziger Jahre zu einer deutlichen Ausgrenzung der Kommunisten aus allen politischen und gesellschaftlichen Bereichen.

Prägend für die Entwicklung bis heute ist auch der Übergang der meisten früheren Zentrums-Mitglieder und -anhänger zur CDU. Der neugeschaffene organisatorische Rahmen soll die konfessionelle Einseitigkeit der Zentrumspartei aufbrechen und auch die wenig konsequente Haltung der Zentrums-Führer gegenüber der NSDAP im Jahre 1933 vergessen lassen.

In den fünfziger Jahren erlebt Rheine das „Wirtschaftswunder“. Nach den Entbehrungen der Kriegs- und Nachkriegszeit scheint es kaum noch Grenzen des Wirtschaftswachstums sowie daraus resultierender Einkommensverbesserungen zu geben.Das zu Grunde liegende System der „sozialen Marktwirtschaft“ wird kaum noch in Frage gestellt. Die in Rheine immer noch dominierende Textilindustrie erlebt eine letzte Blütezeit.

Die weltpolitische Polarisierung zwischen den USA und der UdSSR führt nun auch dazu, dass die Bundesrepublik Deutschland 1955 die Bundeswehr aufstellt und ein Jahr später die allgemeine Wehrpflicht einführt. Für Rheine hat dies weitreichende Folgen: die Stadt wird zum zweitgrößten Bundeswehrstandort in Nordrhein-Westfalen.

Ende der sechziger Jahre werden vielfach Zweifel laut an der eindeutigen Richtigkeit des bisherigen Rekonstruktionskurses der Bundesrepublik Deutschland; die vor allem von den Studenten getragene Protestwelle erreicht Rheine jedoch nur am Rande.

Die Kommunalpolitik konzentriert sich in dieser Zeit bereits auf die leidenschaftlich geführte Diskussion um die kommunale Neuordnung.