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1803 - 1814

Aufbruch in die Moderne – Landesfürstentum, Franzosenzeit und Einmarsch der Preußen

Die Jahre 1803-1814 sind eine Epoche des Übergangs.

In dieser vollzieht sich das Ende des alten Fürstbistums Münster und die Grundlegung des preußischen Westfalen. Der Vorgang erstreckt sich über mehrere Jahre mit Kriegen und wechselnden Herrschaftsverhältnissen. Rheine verliert mit dem Fürstbischof von Münster den Landesherrn, der Jahrhunderte lang die Geschicke der Stadt bestimmt hat. Nach einem kurzen Intermezzo im Mittelpunkt eines Kleinfürstentums erlebt Rheine die Franzosenzeit sowie den Einmarsch russischer und preußischer Truppen nach dem Sieg über Napoleon. Es handelt sich um einen relativ kurzen, aber unübersichtlichen Zeitraum mit einer Vielzahl von Veränderungen. Die Epoche ist am besten mit dem neutralen Begriff „Übergangszeit“ zu kennzeichnen.

 

Foto: Sven Rapreger, Münsterländische Volkszeitung
Landesfürstentum Rheina-Wolbeck 1803 - 1806

 

Nach dem Ende des alten Fürstbistums Münster steigt Rheine zunächst zur Residenz des Herzogs und Hauptstadt des kleinen Landesfürstentums Rheina-Wolbeck auf. Im Rückblick handelt es sich bei diesem Zwergfürstentum um ein anachronistisches Gebilde, dem von Napoleons Gnaden auch nur die kurze Dauer von knapp drei Jahren beschieden ist. Die Rheinenser scheinen der früheren Herrschaft des Bischofs nicht nachzutrauern. Mit „Vivat Wilhelm Joseph“-Rufen begrüßen sie den Herzog von Looz-Corswarem bei seinem Einzug so freundlich, dass Josef Tönsmeyer ihnen noch 1978 eine „allzu devote, um nicht zu sagen, würdelose Haltung“, ja sogar „kriecherische Gesinnung“ vorwirft.

Die zweite Phase der Übergangszeit bildet die sogenannte „Franzosenzeit“. Rheine gehört zum Großherzogtum Berg, das 1806-1809 von Napoleons Schwager Joachim Murat und anschließend für seinen minderjährigen Neffen Louis Napoleon von Napoleon I. selbst verwaltet wird, bis es 1811 schließlich dem Kaiserreich Frankreich angeschlossen wird. Die Franzosenzeit wird in der Geschichte lange fast ausschließlich als „Fremdherrschaft“ abgetan. Krieg, Besatzung und Fremdheit der Sprache oder Gesetzgebung sind aber nicht die einzig wichtigen Aspekte der Franzosenzeit. Die napoleonische Herrschaft leistet auch einen Transfer gesellschaftlicher und politischer Ideen oder Reformen aus dem revolutionären Frankreich in die deutschen Territorien. Heute gestehen wir der Franzosenzeit zumindest die Auslösung eines Reformschubes zu, der z.B. in Preußen der Reformgesetzgebung Auftrieb verschaffte.

Das Ende der Franzosenzeit kündigt sich erst durch den Einmarsch russischer Kosakentruppen in Rheine an. Später ergreift Preußen mit einer provisorischen Regierungskommission Besitz vom Fürstentum Münster. Im Zusammenhang mit den weiteren Kämpfen gegen Napoleon erlebt Rheine das erste Aufkommen eines deutschen Nationalismus preußischer Prägung.