Jubiläum 30 Jahre Städtepartnerschaft mit Bernburg

Im Rahmen der RheineTage 2020 in Bernburg trafen sich Vertreter der beiden Partnerstädte und erinnerten sich an die Anfänge der gemeinsamen Städtepartnerschaft.

Bild vom Festakt am 03.10.2020 mit den beiden Bürgermeistern im Vordergrund.

 „Ein Abend unter Freunden“ – unter dieses Motto stellte Bernburgs Oberbürgermeister Henry Schütze die Festveranstaltung im ehemaligen Parforcehaus. Etwa 60 Teilnehmer aus Rheine und Bernburg feierten das Ereignis im kleineren Kreis. Besonders begrüßte Schütze seinen Vorgänger – und den ersten frei gewählten Bürgermeister Bernburgs nach der Wende, OB a.D. Helmut Rieche, der auch vielen Rheinensern sehr gut bekannt ist. Schütze gratulierte eingangs seinem Amtskollegen Peter Lüttmann für das phantastische Wahlergebnis von über 90 Prozent – was dem Gast aus Rheine den ersten Applaus des Abends einbrachte.

Weil sich am 3. Oktober auch der Tag der Deutschen Einheit zum 30. Mal jährte, äußerte Schütze seine Dankbarkeit darüber, dass dieser Prozess so friedlich im Konsens mit den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges und den europäischen Nachbarn vollzogen wurde. Zur friedlichen Revolution in der ehemaligen DDR als Auslöser sei die Beherztheit der damals politisch Verantwortlichen gekommen. „Mit der deutschen Wiedervereinigung ging der eiserne Vorhang auf – der kalte Krieg wurde beendet. Die Wiedervereinigung war nicht nur ein Glücksfall für uns Deutsche, sondern für alle Menschen in Europa“, sagte Schütze.

Der Bernburger Oberbürgermeister würdigte die „riesige Aufbauleistung aller Deutschen“. Mit der Wiedervereinigung habe Deutschland an Ansehen in Europa und in der Welt gewonnen. Dass dieser Wandel auf friedlichem Wege in Richtung gemeinsames Europa geschah, sei „ein historischer Glücksfall für uns alle“, sagte Schütze.

Bürgermeister Dr. Peter LüttmannRheines Bürgermeister Peter Lüttmann stellte die seit 30 Jahren gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen Rheine und Bernburg in den Mittelpunkt seiner Rede. Das  Glücksgefühl vom  9. November 1989 sei irgendwann der Alltagsrealität gewichen. „Jede und jeder bringt eine eigene Geschichte mit. Darum zu wissen, schafft Verständnis füreinander und ermöglicht es, sich in den anderen hineinzuversetzen und mitzufühlen. Aus der jeweils eigenen Geschichte ist in den vergangenen 30 Jahren aber auch ein gutes Stück gemeinsame Geschichte von Bernburgern und Rheinensern geworden“, sagte Lüttmann.

Überhaupt seien  gegenseitige Besuche seit vielen Jahren zur Selbstverständlichkeit geworden. Über die lange Zeit der Partnerschaft seien diese Begegnungen immer wieder aufs Neue ein Beweis dafür, wie wichtig und gewinnbringend für alle diese Treffen seien. „Sie sind alles andere als ein Ritual. Nach wie vor stellen sie ein lebendiges Zeichen unserer Verbundenheit“, so der Rheiner Bürgermeister. Dazu gehörten die Bernburg- und die Rheinetage rund um den 3. Oktober. Senioren- wie Schülergruppen haben die jeweilige Partnerstadt besucht. Viele Vereine sind schon lange in Kontakt und einem partnerschaftlichen Austausch.

Ausdrücklich erwähnte er auch die Erinnerungskultur: „Wir setzen uns mit unserer gemeinsamen und unserer unterschiedlichen Vergangenheit auseinander. Das Verstehen unserer Geschichte auch im Hinblick auf die Verantwortung, die wir für unsere Zukunft haben, schafft ein verbindendes Element“, so Lüttmann.

Abschließend appellierte er an alle: „Lassen Sie uns gemeinsam das Erreichte wertschätzen. Lassen Sie uns das Aggressive und Konfrontative in unserer Gesellschaft gemeinsam zurückdrängen. Lassen Sie uns gemeinsam zuversichtlich sein, dass die Vernunft und unsere demokratischen Institutionen am Ende stärker sind, als man es ihnen zutraut“.

Im weiteren Programm erinnerten Zeitzeugen an Gefühle in der Zeit vor 30 Jahren

Zeitzeugen im GesprächEuphorie und Enttäuschung - Mucksmäuschenstill war es im Festsaal des ehemaligen Parforcehauses, als Zeitzeugen der ehemaligen SED-Diktatur von ihren Erlebnissen in Stasigefängnissen, aus der Untersuchungshaft und von erniedrigender Behandlung berichteten. Moderiert wurde das Gespräch von dem Psychiater und ebenfalls ehemaligen Stasiopfer Karl-Heinz Bomberg, der heute noch traumatisierte Opfer der DDR-Diktatur therapiert.

Ich hätte nicht gedacht, dass es mich mal so erwischt“, sagte der Heimathistoriker und Mitarbeiter der Kreisverwaltung, Joachim Grossert. Er war damals Student an der TU Ilmenau und wurde dafür bestraft, dass er Texte unliebsamer Autoren vervielfätigt hat. Insgesamt sei er 13 Jahre in Haft gewesen. Vor allem der erste Tag der Untersuchungshaft sei „verstörend“ gewesen. Er sei 32 Stunden ununterbrochen verhört worden. „Das war ein Schock. Ich war ja kein Staatsgegner. Ich wollte nur einen menschlichen Sozialismus“, sagte der 65-Jährige. Damit sei er in die Maschinerie gekommen wie jeder Kriminelle auch.

Beim Rückblick auf die Zeit der Wende sind dem evangelischen Pfarrer Johannes Lewek keine besonderen Ereignisse in Erinnerung geblieben, sondern Gefühle. Er erzählte von der Angst, die er  als Mitbegründer der regionalen Gruppe des neuen Forums empfand, ob das, was sie dort taten, negative Folgen für ihn haben würde. Von der Euphorie, die ihn unter Gleichgesinnten befiel, etwas bewegen zu können. Aber auch von der Enttäuschung nach der ersten Wahl, als das Neue Forum nicht einmal drei Prozent der Stimmen holte.

Wenn er aus dieser Zeit etwas mitgenommen hat, dann, dass man auch „unbequeme Minderheiten hören sollte“ – und er meinte damit auch diejenigen, die gegen die geltenden Corona-Regeln demonstrieren.

„Mein Vater war selbst SED-Mitglied. Und er hat mich angehalten, Widerspruch zu leisten. Das hat er jetzt davon“, sagte der Psychiater Dr. Karl-Heinz Bomberg (Berlin). Und er räumte ein: „Die friedliche Revolution war so überwältigend, dass ich noch heute davon zehre“. Bomberg ist auch Musiker, Texter und Komponist. Mit seinen Liedern führte er durch das Programm.

Abgerundet wurde der Besuch durch die Besichtigung der Hochschule Anhalt, die in Bernburg einen Standort mit über 2000 Studierenden unterhält und eine Bootsfahrt auf der Saale.

Bootsfahrt auf der Saale