NSDAP in Rheine

Machtübernahme der NSDAP auf kommunalpolitischer Ebene

Die Zentrumspartei hat bei allen Kommunalwahlen von 1919 bis 1932 in Rheine stets die absolute Mehrheit der Stimmen und Sitze erhalten.

Ende des Jahres 1933 bestimmen in Rheine nur noch die Nationalsozialisten die Kommunalpolitik. Wie ist dies möglich geworden?

 

In der Woche nach der Reichstagswahl vom 5.3.1933 wird auf dem Rheiner Rathaus eine Hakenkreuzflagge gehisst

 

Bei der Kommunalwahl am 12.3.1933, eine Woche nach der Reichstagswahl, die den Nationalsozialisten reichsweit zu 43,9 % der Wählerstimmen verholfen hat, tritt in Rheine neben den bekannten Parteien und Listen eine neue Gruppierung an: Die Liste 22 versucht, unter dem Motto: „Alles für Rheine - Keiner Partei dienstbar“ diejenigen Wählerinnen und Wähler anzusprechen, die von dem Parteienstreit, wie er für die letzten Jahre der Weimarer Republik charakteristisch gewesen ist, enttäuscht sind und sich eher an einem vorrepublikanischen Gemeinschaftsgefühl orientieren. Unter den achtzehn Kandidaten finden sich einige, die in den Jahren zuvor der „neutralen Liste“ angehört haben, die - entgegen ihrer Bezeichnung - als örtliche Variante der Deutschnationalen Volkspartei gelten kann. Nicht verwunderlich ist es daher auch, dass die Liste 22 vom Kriegerbund unterstützt wird.

In der Tat ist die Liste 22 äußerst erfolgreich: Sie kann auf Anhieb 10 der 33 Ratsmandate erringen. Auch die NSDAP kann sich mit sieben Sitzen in der Stadtverordnetenversammlung fest etablieren, liegt aber in Rheine immer noch deutlich unter dem Durchschnitt des Reiches. Die Zentrumspartei, die bisher 21 Mandate innehatte, muss sich mit 12 Sitzen begnügen; auf SPD und KPD entfallen je zwei der restlichen Mandate, was einen Verlust von zwei bzw. einem Mandat bedeutet. Die Nationalsozialisten feiern ihren Erfolg mit Fackelzügen und Kundgebungen.

Die konstituierende Sitzung der Stadtverordnetenversammlung findet am 30.3.1933 in der mit schwarz-weiß-roten und Hakenkreuzfahnen geschmückten Aula des Gymnasium Dionysianum statt.

Die beiden KPD-Vertreter Bernard Alfrink und Johann Uhlenbrock können nicht an der Sitzung teilnehmen, weil sie schon vor der Wahl aufgrund der „Reichstagsbrandverordnung“ inhaftiert worden sind. Zu den beiden gewählten Sozialdemokraten teilt der Bürgermeister folgendes mit: Mathias Thesing habe auf sein Mandat verzichtet und Heinrich Roters dürfe als städtischer Arbeiter aufgrund einer neuen Verordnung des preußischen Innenministers sein Amt nicht wahrnehmen. Die nicht wahrgenommenen Mandate von KPD und SPD werden nicht neu besetzt, so dass die Zahl der Stadtverordneten auf 29 schrumpft.

Wahlaufruf der Liste 22

 

Die angeblich unabhängige Liste 22 teilt mit, dass sie mit den Nationalsozialisten unter der Bezeichnung „Nationale Arbeitsgemeinschaft“ (NAG) eine Verbindung eingegangen ist. Liste 22 und NSDAP-Fraktion fordern zudem die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, der die Finanzen der Stadt, die vierzehn Jahre allein von Zentrums-Politikern verwaltet worden seien, untersuchen soll. Diesem Ausschuss sollen nur Mitglieder der bisherigen Opposition, also keine Zentrumsvertreter angehören. Gegen die zwölf Stimmen des Zentrums beschließen Liste 22 und NSDAP mit siebzehn Stimmen die Einsetzung eines solchen Untersuchungsausschusses.
Die Zentrumspartei geht nun in den nächsten Wochen schrittweise auf die NAG zu. In der Ratssitzung vom 11.4. stimmt das Zentrum dem Antrag der NAG zu, den Reichspräsidenten von Hindenburg und den Reichskanzler Hitler zu Ehrenbürgern der Stadt Rheine zu ernennen. Bürgermeister Schüttemeyer tritt in die NSDAP ein.

In den folgenden Wochen scheiden drei Zentrumsmitglieder aus der Ratsfraktion aus: Elisabeth Albers, Anna Wenning und Dr. Josef Tinnefeld. Wahrscheinlich sind dies die Fraktionsmitglieder, die die Zusammenarbeit mit der NAG nicht mittragen wollen. Sie werden in der Ratssitzung vom 9.6.1933 durch drei Nachrücker ersetzt.

Die Zentrumspartei löst sich reichsweit am 5.7.1933 auf. Damit verlieren ihre Vertreter auch in der Stadtverordnetenversammlung von Rheine ihre Mandate. In der Ratssitzung am 26.7.1933 werden für die städtischen Kommissionen Ergänzungswahlen vorgenommen.

Die Deutschnationale Volkspartei löst sich am 27.6.1933 selbst auf und schließt gleichzeitig mit der NSDAP ein „Freundschaftsabkommen“.
Nach der Zerschlagung der KPD und dem Verbot der SPD am 22.6.1933 sowie der Selbstauflösung der übrigen bürgerlichen Parteien existiert nun nur noch die NSDAP als einzige legale Partei. Dieser Zustand wird durch das am 14.7.1933 von der Reichsregierung beschlossene „Gesetz gegen die Neugründung von Parteien“dauerhaft fixiert.

Durch das Gemeindeverfassungsgesetz vom 15.12.1933 verringert sich die Zahl der Stadträte auf achtzehn, die aber nicht mehr gewählt, sondern von der „Aufsichtsbehörde auf Vorschlag des Gauleiters der NSDAP“ berufen werden. Damit ist die Machtübernahme der NSDAP auf kommunaler Ebene abgeschlossen und auf unabsehbare Zeit gesichert.